Ich will nicht immer spüren, was ich gerade spüre!
Ich habe keine Lust, mich schlecht zu fühlen,
und auch keine Zeit all diesen Empfindungen nachzuhängen!
Ich will das, was ich gerade fühle,
gar nicht fühlen!
Weil es sich nicht gut anfühlt,
weil es unangenehm ist
und wirklich weh tut.
Irgendwann merkte ich, dass ich angefangen hatte, mein Spüren einzuschränken. Ich landete in einem Zustand, der sich so überhaupt nicht gut anfühlte. Sich nicht mehr zu spüren fühlte sich tatsächlich um vieles grausamer an, als sich traurig, verletzt oder einsam zu fühlen.
Also traf ich eine Entscheidung: „Ich wollte mich spüren! Egal, wie weh es tat oder wie unangenehm es war. Denn alles fühlte sich besser an, als diese gefühlte Taubheit in mir!“
Das unerwünschte Spüren
Wie gehen Sie mit Ihren unliebsamen oder ungewollten Gefühlen um?
Die meisten Menschen wählen – so wie ich damals – die Strategie der Unterdrückung und unterdrücken das unerwünschte und ungewollte Gefühl.
Die Gefühlsunterdrückung führt dazu, dass wir dieses Gefühl nicht mehr spüren müssen, was anfangs einen durchaus angenehmen Charakter hatte.
Erst wenn wir die Strategie der Gefühlsunterdrückung längerfristig anwenden, zeigen sich die negativen Seiten der Unterdrückung.
Aber warum unterdrücken wir unsere Gefühle überhaupt?
Obwohl uns die Unterdrückung von Gefühlen ziemlich vertraut ist, sind wir doch ein wenig wählerisch, wenn es darum geht, welche Gefühle wir unterdrücken.
Angenehme und erwünschte Gefühle, wie Freude, Unbeschwertheit, Leichtigkeit oder auch Verliebtheit unterdrücken wir normalerweise nicht. Fühlt es sich gut an, wollen wir dies auch spüren. Warum sollten wir es nicht spüren wollen?
In Konflikt mit den eigenen Gefühlen
Doch geraten wir in Konflikt mit unseren Gefühlen, sieht es gleich ein wenig anders aus.
- Ist der Partner gerade sehr traurig oder depressiv, drücken wir unsere Freude oder unser Glücksgefühl möglicherweise weg – um diese dem Partner nicht zuzumuten – oder vielleicht auch um ihm keine Möglichkeit zu geben, uns dieses Gefühl madig zu machen.
- Auch ein Verliebtheitsgefühl unterdrücken wir vermutlich, wenn wir uns die Verliebtheit nicht eingestehen oder erlauben dürfen. Richtet sich unsere Verliebtheit auf eine Person, auf die sie nicht gerichtet werden sollte – wie den Partner der Schwester oder der Frau des Chefs – oder haben wir in eine Beziehung und können uns solche Verliebtheitsgefühle zu einer anderen Person gar nicht erlauben – dann geraten wir ebenfalls in Konflikt mit unserem Gefühl.
So darf ich nicht fühlen, so will ich nicht fühlen und so darf ich nicht sein!
Üblicherweise unterdrücken wir Gefühle nur, wenn sie in irgendeiner Weise „unangenehm“ für uns sind. Dabei handelt es sich um
- Gefühle, die nicht erlaubt sind. Gefühle, die von außen, von der Familie, der Sippe, der Gesellschaft, nicht erwünscht oder gar verboten sind, so wie Gefühle, die nicht geduldet werden, die sanktioniert werden. Wie beispielsweise – „Ich darf keinen Menschen lieben, der einen anderen Glauben hat“, „Nur Schwächlinge zeigen ihre Verletztheit!“ oder „Eine Frau hat nicht aggressiv zu sein und ein Mann hat nicht zu weinen und traurig zu sein!“
- Gefühle, die wir nicht haben wollen. Jene Gefühle, die unserer inneren Norm, unseren Regeln, unseren Erwartungen oder auch unserem Bild von uns selbst widersprechen. Gefühle, die wir negativ bewerten, wo wir uns nicht erlauben können, so zu empfinden. Oft sind diese ident mit jenen Gefühlen, die uns nicht erlaubt wurden. Wie beispielsweise – „Ich bin doch nicht eifersüchtig oder aggressiv!“
- Gefühle, die wir nicht fühlen wollen. Das betrifft vor allem jene Gefühle, die sich unangenehm oder schmerzhaft anfühlen. Wie beispielsweise – „Ich will nicht traurig oder verletzt sein!“
Die üblichen Verdächtigen der Gefühlsunterdrückung
Besonders häufig werden jene Gefühle unterdrückt, denen wir eine negative Zuschreibung geben. Gefühle, wie:
- Ärger, Aggression, Wut, Zorn, Rachegefühle
- Schmerz, Trauer, Einsamkeit oder Verlassenheit
- Angst
- Kränkung
- Stolz, Habgier, Neid, Eifersucht
- Hilflosigkeit, Bedürftigkeit, Ohnmacht oder Verzweiflung
- Schamgefühle oder Schuldgefühle
Gerade wenn das Spüren schmerzhaft wäre,
entscheiden wir uns gerne,
dieses Gefühl auf die Seite zu drücken
um es nicht spüren zu müssen.
Bereits früh in meinem Leben hatte auch ich die Entscheidung getroffen, bestimmte Gefühle einfach nicht mehr sonderlich zu spüren.
Die Gefühlsunterdrückung beruht also auf einer mehr oder minder getroffenen bewussten Entscheidung. Entscheidungen, wie:
- „Ich lasse mich nie wieder so verletzen“ oder „Ich lasse nie wieder zu, dass mir jemand so nahekommt, dass er mir weh tun kann“
- „Ich zeige meine Gefühle einfach nicht mehr, weil es sowieso niemanden interessiert!“
- „Euch zeige ich nicht, wie sehr mich euer Verhalten verletzt! Diese Genugtuung bekommt ihr ganz sicher nicht von mir!“
- „Wenn ich eifersüchtig bin, verlässt er/sie mich. Also unterdrücke ich meine Eifersucht besser!“
- „Ist mir doch egal“ – Ich zeige meine sensible Seite nicht und verhalte mich einfach so, als würde das nichts in mir auslösen.
- „Nie wieder in meinem Leben will ich mich so … fühlen!“ – so ohnmächtig, so hilflos, so abhängig, so einsam, so ausgegrenzt…
Eine erste Entlastung tritt ein
Haben wir das unangenehme Gefühl unterdrückt, haben wir es sozusagen aus unserem Empfindungsraum gedrückt. Das führt dazu, dass
- wir dieses Gefühl
- nicht mehr spüren müssen
Im ersten Moment fühlt sich eine Gefühlsunterdrückung durchaus gut an – Ich muss es nicht spüren – zumindest jetzt nicht!
Eine kurzfristige Gefühlsunterdrückung
Gefühle kurzfristig zu unterdrücken, kann durchaus von Vorteil sein.
Vor allem leistungsorientierte Menschen wenden diese Strategie häufiger an. Sind wir beispielsweise von einem partnerschaftlichen Streit verletzt oder haben wir uns fürchterlich über den Nachbarn geärgert, dann kann es durchaus hilfreich sein, dieses Gefühl ein wenig wegzudrücken, um sich den aktuellen Herausforderungen widmen zu können.
Obwohl wir unseren Schmerz oder unseren Ärger gerade nicht empfinden, hätten wir dennoch Zugang zu unserem unterdrückten Gefühl. Nach der Bewältigung unserer Herausforderung können wir jederzeit wieder auf unsere Verletzung oder unseren Ärger zurückgreifen.
Während eine kurzfristige Gefühlsunterdrückung keine sonderlichen Auswirkungen hat, sieht es bei einer längerfristigen Gefühlsunterdrückung anders aus.
Dann Funktionieren wir vielleicht immer noch mehr und spüren uns immer noch weniger
Unterdrückte Gefühle verschwinden nicht einfach
Unsere unterdrückten Gefühle lösen sich nicht einfach auf. Sie werden lediglich ganz tief in unserer Psyche vergraben.
Wir mögen unsere unterdrückten Gefühle nicht mehr spüren,
aber sie sind immer noch da!
Denn eine Gefühlsunterdrückung löst die ungewollten Gefühle nicht auf. Dennoch hat sie Auswirkungen. Eine Gefühlsunterdrückung mag wenig Einfluss auf unsere Gefühle haben, aber sie hat große Auswirkungen auf unsere Gefühlswahrnehmung.
Die Gefühlsunterdrückung verlangt nach einer Auflösung
Wollen Sie keine abgelehnten „Kellergefühle“ in ihrem Unterbewusstsein ansammeln, dann ist es gut, wenn Sie anfangen,
wieder zu fühlen, was Sie nicht fühlen wollten!
Auch wenn es weh tut: Es ist immer noch besser sich zu spüren, als sich irgendwann nicht mehr zu spüren!
Passen Sie gut auf ihre Gefühle und Empfindungen auf, vor allem auf jene, die Sie nicht besonders mögen!
(Im Original von Brigitte Fuchs)